Freiheit und Gleichheit in der Bildungsgeschichte

Jahrestagung der Sektion Historische Bildungsforschung11.–13. September 2023Berlin

Keynote Speakers

Prof. Dr. Michael Geiss

Pädagogische Hochschule, Zürich

Michael Geiss ist derzeit Leiter des Zentrums Bildung und Digitaler Wandel und Professor für Erziehungswissenschaft an der Pädagogischen Hochschule Zürich in der Schweiz. Er habilitierte sich 2021 an der Universität Zürich. Zwischen 2017 und 2018 war er Gastforscher an der Universität Uppsala in Schweden. Im Jahr 2013 promovierte er in der Allgemeinen Pädagogik an der Universität Zürich. Sein Studium absolvierte er von 2001 bis 2007 in den Fächern Pädagogik, Soziologie und Philosophie an den Universitäten Trier und Zürich. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Bildungsföderalismus und Politische Ökonomie, dem historischen Verhältnis von Technologie und Bildung sowie nichtstaatlichen Akteuren im Bildungswesen. Zwei seiner wichtigsten Publikationen sind Das Kapital der Bildung: Pädagogische Ambitionen in der Schweizer Privatwirtschaft im 20. Jahrhundert (Zürich 2023: Chronos) sowie How Computers Entered the Classroom, 1960–2000: Historical Perspectives (Berlin/Boston 2023: De Gruyter), herausgegeben zusammen mit Carmen Flury.

Pädagogische Freiheit und neue Medien: eine bildungshistorische Zwischenbilanz

Die Phasen und Formen des pädagogischen Medienwandels sind inzwischen gut erforscht. Die Positionen von Lehrerinnen und Lehrern zu neuen Medien nehmen in der historischen Bildungsforschung jeweils einen breiten Raum ein. Im Zentrum steht dabei meist die Frage, welche Medien und Technologien Einzug in die Klassenzimmer hielten – oder scheiterten. Die Geschichte des Ringens um neue Unterrichtsmedien weist jedoch über diesen begrenzten Kontext hinaus. In den pädagogischen und bildungspolitischen Debatten lassen sich drei unterschiedliche, teilweise konkurrierende Freiheitsverständnisse ausmachen: Freiheit als liberale Abwehr staatlichen Zwangs, Freiheit als Selbstregierung und die sogenannte pädagogische Freiheit. Der Vortrag zeichnet diese Auseinandersetzungen nach und verortet sie in der Bildungsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.

Dr. Susanne Schregel

Universität Kopenhagen

Susanne Schregel forscht zur Wissenschafts- und Wissensgeschichte, zur Geschichte des Politischen, der Geschichte sozialer Bewegungen und der Geschichte der Intelligenz und Begabung. Sie wurde 2010 an der TU Darmstadt mit einer Studie zur Geschichte der neuen Friedensbewegung promoviert. Anschließend arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der interdisziplinären a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities Cologne, am Historischen Institut der Universität Köln, am Arbeitsbereich Zeitgeschichte der Universität Konstanz sowie an der Professur für Historische Erziehungswissenschaft an der Universität Halle-Wittenberg. Im Sommersemester 2023 war sie Fellow des IFK. Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften (Kunstuniversität Linz in Wien), ab WS 2023 ist sie Gastwissenschaftlerin an der Universität Kopenhagen (mit einem Fellowship der Alexander von Humboldt-Stiftung). Zu ihren neueren Publikationen zählen: „Geschichte und Gegenwart von Gegenunis“, ORF Science, 7.5. 2023 (https://science.orf.at/stories/3219113/); „Das hochbegabte Kind zwischen Eliteförderung und Hilfsbedürftigkeit 1978 bis 1985“, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 68 (2020) 1, S. 95–125; „Social Movements, Protest, and Academic Knowledge Formation. Interactions since the 1960s”, Moving the Social 60 (2018) (https://moving-the-social.ub.rub.de/index.php/MTS/article/view/7409).

„Eine Traumuniversität, wie ich sie benennen möchte“. Notizen aus der Geschichte gegenuniversitärer Formate seit den 1960er Jahren

In den letzten Jahren hat die Rolle sozialer Bewegungen in der Diskussion und Gestaltung von Lernprozessen und Bildungsinstitutionen auch in der (Historischen) Bildungsforschung vermehrt Beachtung gefunden. Phänomene wie die selbstorganisierten Bildungsangebote der Klimabewegung haben neu ins Bewusstsein gerückt, wie soziale Akteur*innen durch die Gestaltung eigener Bildungsräume politische und bildungsbezogene Reformvorschläge entfalten können. Der Vortrag geht der „längeren“ Geschichte solcher selbstorganisierten Lern- und Bildungsformate am Beispiel von „Gegenhochschulen“ seit den 1960er Jahren nach. Er stellt die Schaffung gegenuniversitärer Formate im Umfeld sozialer Bewegungen und bewegungsnaher Kunst als eine imaginative Praxis vor, welche einen Schwebezustand zwischen utopischem Entwurf, fiktiver Institution und erlebbarem Ort präfigurativer Politik konstituierte, und vertieft, wie diese auch Leitziele der Freiheit und Gleichheit auf je eigene Weisen umkreiste.